Altmaterialsammlung - Vereinfachungsregel § 64 Abs. 5 AO
Grundsätzlich ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmt:
Die Erlöse aus der Veräußerung von Altpapier und Altkleidern, die durch eine gemeinnützige Körperschaft gesammelt werden, sind dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen (BFH v. 26.2.1992, I R 149/90, BStBl. 1992 II S. 693; BFH, Beschluss v. 21.12. 1994, I B 14/94, BFH/NV 1995 S. 568). Werden einzelne Kleidungsstücke verkauft, so gehören die Erlöse bei Einrichtungen der Wohlfahrtspflege nur dann zum Zweckbetrieb, wenn die Leistungen zu mind. ⅔ bedürftigen Personen (i. S. d. § 53 AO) zukommen (BMF, Schreiben v. 25.9.1995, IV B 7 S 0183 27/95, DB 1995 S. 2042).
Als Betriebsausgaben, die von den Erlösen abgesetzt werden können, kommen nur die unmittelbar mit der Sammlung zusammenhängenden Kosten in Betracht, wie z.B.
- gezahlte Löhne,
- Verpflegungsmehraufwandsentschädigungen / Reisekosten,
- Fahrzeug- / Transportkosten,
- Gebühren.
Wie man sich leicht vorstellen kann, ergeben sich hieraus Pflichten zur umständlichen Berechnung der abzugsfähigen Betriebskosten; ein Aufwand der u. U. in keinem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis steht. Daher wurde mit dem § 64 Abs. 5 AO eine Vereinfachungsregel - nämlich ein Wahlrecht - in die Vorschriften über den wiG in die AO eingefügt, die es der betreffenden Körperschaft ermöglichen zu wählen zwischen:
• Ermittlung und Abzug der tatsächlich im Rahmen der Sammlung angefallenen abzugsfähigen Aufwendungen, d.h. Ermittlung der tatsächlichen Überschüsse und
• Schätzung der Überschüsse aus der Verwertung von gespendetem oder gesammeltem Altmaterial in Höhe des branchenüblichen Gewinns.
Die Finanzverwaltung hat den Prozentsatz, mit dem der Reingewinn gem. § 64 Abs. 5 AO geschätzt werden darf, typisierend in AEAO zu § 64 Nr. 23 festgelegt. Danach beträgt der Reingewinn
• 5% der Einnahmen bei der Verwertung von Altpapier und
• 20% der Einnahmen bei der Verwertung von übrigem Altmaterial.
Diese Prozentsätze sind jeweils auf die Nettoeinnahmen anzuwenden, die deswegen gesondert aufgezeichnet werden müssen.
Sollte die Altmaterialsammlung von mehreren Körperschaften in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ( §§ 705 ff. BGB) durchgeführt werden, so sind die o. g. Prozentsätze anteilig anzusetzen ( FinMin Baden-Württemberg, Erlass v. 2.4.1993, S 0183/2, DStR 1993 S. 915).
Nicht der Vereinfachungsregelung des § 64 Abs. 5 AO unterfallen jedoch
• Basare (z. B. Skibasare) u. ä.
• der Gebrauchtwarenhandel ( AEAO zu § 64 Nr. 19) und
• Containersammlungen (OFD Frankfurt, Verfügung v. 11.9.1991, S 0171 A 22 St II 12, DB 1991 S. 2415; OFD Karlsruhe, Verfügung v. 17.12.1998, S 2170 A 125 St 311, BB 1999 S. 515).
Von einer Containersammlung wird gesprochen, wenn einem Altmaterialhändler Stellplätze zur Verfügung gestellt werden. Nach üblichen Verträgen geht das Eigentum an den gespendeten Gegenständen mit dem Einwurf auf den Grundstückseigentümer Körperschaft über, nach der Leerung der Container auf den Altmaterialhändler. Die Vergütung, die für den Stellplatz und Überwachung und Wartung der Container bezahlt wird, gehört zu den Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb. Im Fall der Containersammlung kann der § 64 Abs. 5 AO deshalb keine Anwendung finden, weil hier wirtschaftlich keine Altmaterialverwertung durch die Körperschaft erfolgt.
Wenn Einnahmen des wiG vorliegen sind diese Erlöse auch mit dem Regelsteuersatz umsatzsteuerpflichtig, soweit nicht die Kleinunternehmerregelung durchgreift. Unabhängig von der Frage, ob tatsächliche oder fiktive Betriebsausgaben abgesetzt werden, ist ein Vorsteuerabzug nur aus den tatsächlichen Aufwendungen möglich, soweit eine Rechnung i. S. d. § 14 UStG vorliegt.
Eine weitere Schwierigkeit bereitet der Ansatz fiktiver Betriebsausgaben im buchungstechnischen Bereich, weil nur die tatsächlichen Aufwendungen über die Kasse bzw. Bank gebucht werden können. Daher wird wie folgt vorgegangen:
Tatsächliche Aufwendungen:
Aufwand wiG an Finanzkonto
Vorsteuer
Differenzbetrag zwischen den fiktiven Betriebsausgaben und dem tatsächlichen Aufwand:
Aufwand wiG an steuerfreie Erlöse
Um zu vermeiden, dass eine doppelte Berücksichtigung des Aufwands erfolgt, sind die mit der Altmaterialsammlung zusammenhängenden Aufwendungen gesondert aufzuzeichnen (AEAO zu § 64 Tz. 22).
Zuschüsse, die die Körperschaft z.B. von der Gemeinde für die Durchführung der Altmaterialsammlung erhält, gehören zum wiG. Es wird daher empfohlen, dass derartige Zuschüsse nicht unmittelbar für die Sammeltätigkeit geleistet werden.
Die Regelung des § 64 Abs. 5 AO kann nicht bei nicht gemeinnützigen Körperschaften angewendet werden; gleiches gilt für die Freigrenze des § 64 Abs. 3 AO. Folglich gehören die Erlöse zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, und es sind nur die tatsächlichen Betriebsausgaben abzugsfähig.
(s. auch Übersicht Abgrenzung wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb Zweckbetrieb und Beispiele)
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